Sonntag, 30. November 2008

Es ist wieder da.

Es ist wieder da. Der Beat ist zurück. Die Harmonien sind wieder kreuz neun und b dreizehn. Die Septime groß, die Quinte vermindert. Ein Gefühl ist zurück, dass ihm fehlte und doch fehlen musste. Es war einfach zu viel des Guten gewesen. Das Gute verblasste, bis es als Überdruss unerträglich wurde. Welche Chancen hatte er noch vor wenigen Wochen und nun ist alles anders. Er konnte so viel spielen, wie er wollte doch ging es nicht. Es waren zu viele Töne gewesen. Acht Wochen war er ohne Horn und es fehlt ihm, wie ein guter Freund. Nun ist Ausdruck und Gefühl wieder zurück. Er fühlt wieder Jazz. Er spielt wieder Jazz. Er ist wieder Jazz.

Denn Jazz, das ist eine Lebenseinstellung. Das ist die Gemeinschaft beim Jammen. Das ist die Einsamkeit beim nächtlichen Rauchen auf dem Balkon. Das ist die Extase beim Solo. Das ist Zuhören beim Begleiten. Das ist das Füllen von Räumen. Das ist das Durchbrechen der Regeln. Das ist das Schweigen. Das ist das Denken am Meer. Das ist der Schmerz des Abschieds. Das ist die Freude des Wiedersehens. Das ist das Beste. Das ist…das Leben. Das ist Jazz.

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Neuer Status

Grüß euch ihr lieben,

seit heute (vor zwei Wochen. Siehe unten...) bin ich ein anderer. Zumindest im Umgang mit den Behinderten. Dies geschah jedoch ganz ungewollt und verhält sich folgendermaßen.

Bisher war ich bei der Arbeit mit den Behinderten auf dem Feld immer eher einer von ihnen. Sie haben mir erklärt, was ich machen soll und sich um mich gekümmert. Das lag vorallem an meiner sprachlichen Behinderung. Ich war in dem Moment ja eigentlich auch behindert. Ich konnte mich nicht richtig ausdrücken, war auf Hilfe angewiesen und verstand überhaupt nicht um was es ging und was ich zu tun hatte. Ich fühlte mich selbst behindert und doch gleichzeitig eröffnete mir das völlig neue Sichtweisen, vorallem in meiner Beziehung zu den Behinderten. Diese war eine völlig andere, als ich sie bisher aus Deutschland kannte. Ich fühlte mich ihnen zugehörig und war ein Teil der Gruppe. So gewinnen andere alltägliche Dinge an Bedeutung, wie zum Beispiel die allmorgentliche Kaffeepause gegen zehn, während man sich etwa um die Betreuung der Behinderten kaum Gedanken machen kann.
Seit heute habe ich aber das Gefühl, dass ich nun eher Betreuer geworden bin. Diese Veränderung hat wahrscheinlich vorallem mit der sich verbessernden Sprache zu tun. Französisch läuft einfach schon viel besser, so dass ich vieles verstehen und mich auch klar ausdrücken kann. Ich unterhalte mich viel bei der Arbeit und leite Sache an oder helfe, anstatt dass mir geholfen wird. Heute gab es nun zum ersten Mal Situationen, in denen ich gefragt wurde, was zu tun sein und in der ich als Betreuer gesehen wurde. Dieser Schritt von den Behiderten geschah im Kollektiv und kam ganz plötzlich, was sehr überraschend war. Sie kommen mit Problemen zu mir und sie sehen mich auch nicht auf einer Stufe mit den Kaspar und co., sonder lästern immer auch ein bisschen über all die anderen, auch wenn ich dabei bin. So ist es eine freundschaftliche Ebene, die sehr viel Spaß macht. Ich bin sehr gespannt, wie sich das noch weiterentwickelt. Auf jeden Fall sind sie mir alle schon sehr ans Herz gewachsen.

...diesen Eintrag hatte ich schon vor zwei Wochen geschrieben, doch irgendwie vergessen zu posten. Alors...maintenant ;)

Dienstag, 21. Oktober 2008

Nachts um elf.

Nachts um elf steht er alleine am Kai und schaut in die Ferne.

Die Flut rollt matt gegen die rundgeschliffenen Steine und von irgendwo da draußen kommt ein ganz feiner Nebel, der die orangenen Lichter entlang der Straße zu Farbpunkten verschwimmen lässt. Der ruhige Wind schafft es gerade so die wenigen Haare, die unter seiner Mütze hervorluken in Bewegung zu setzten. Sein Blick scheint etwas zu erwarten und doch ruht er in der Ferne.

Mit der einen Hand in der Hosentasche und der anderen am Lenker seines Fahrrads steht er da und schaut. Er lauscht. Er lauscht dem Gluckern und Glucksen der Wellen, dem Klimpern der Takelage der Boote, das sich anhört, als ob jemand auf einem unbekannten Schlaginstrument eine Melodie versucht. Er lauscht der stille des Ozeans.

Er wäre gerne da draußen.

Was er wohl denk? An wen er wohl denkt?

Er denk.


Viel.

Sonntag, 19. Oktober 2008

Projekt Nieder mit der Spießigkeit

Aufgabe: Meine neue Wohnung entspießen.

Das gestaltet sich schwieriger als gedacht. Mein Vermieter ist ein Lehrer, der im Sommer die Wohnung selbst als Ferienwohnung nutzt und einen sonderlichen Geschmack für Dekoschnickschnack, gelbe Tapete mit Blumenstreifen am oberen Rand (zum Glück nur im Wohnzimmer - schlimm genug) und Wandteppichfetzten aus dem Kindergarten Hildmannsfeld (eine Arbeit von Horst aus dem Jahr 1978) hat. Den ersten Schritt habe ich schon getan und zwar alles von den Wänden verbannt und augenschonend verstaut (in einen Schrank, der erst beim Auszug wieder geöffnet werden darf).
Nun brauche ich eure Hilfe.
Was soll an meine schönen Wände? Zeitung, Reklame (hier könnt ihr kostengünstig für eure Bands etc. werben) oder neue Wandteppiche? Ich habe schon ein paar kleinere Ideen, bzw. habe Künstler aus der Stadt getroffen, von denen ich ein paar Werke ausleihen kann und vielleicht steuert auch Eck.Art noch etwas bei, doch da ist noch viel Platz für alles mögliche. Wer mich also besuchen kommt muss mindestens eine Sache zur Verbesserung des Wohnungsstyles mitbringen :-) Ihr merkt, dies ist nicht mehr als ein weiterer Vorwand Besuch anzulocken, über den ich mich immer sehr freue! Aber ihr könnt mir immer auch gerne schreiben oder schöne Dekorationen und Tipps schicken. Meine Adresse für eure Post und eure Navigationssysteme gibts auf Anfrage.
Für eure Hilfe dankt: der Christian.

Mittwoch, 15. Oktober 2008

Für alle.

Für alle, die weit weg sind und die, die zu Hause warten.
Für alle, die jemanden vermissen oder gerade Abschied nahmen.
Für alle, die alleine sind und sich einfach nur leer fühlen.
Für alle, die träumen. Für alle, die weinen.
Für alle, die hoffen.
Für alle.


Tröste dich, die Stunden eilen,
Und was all dich drücken mag,
Auch das Schlimmste kann nicht weilen,
Und es kommt ein andrer Tag.

In dem ewgen Kommen, Schwinden,
Wie der Schmerz liegt auch das GLück,
Und auch heitre Bilder finden
Ihren Weg zu dir zurück.

Harre, hoffe. Nicht vergebens
Zählest du der Stunden Schlag:
WECHSEL IST DAS LOS DES LEBENS,
UND ES KOMMT EIN ANDRER TAG.

Theodor Fontane

Sonntag, 12. Oktober 2008

Sonntagmorgen 11:29 Waschsalon Rue du Stade

Um mich herum dreht sich alles. Waschsalons sind was tolles. Es ist warm, es riecht schön sauber, der Boden vibriert und man trifft lustige Leute, die sich auch dazu entschlossen haben, an einem schönen Sonntagmorgen bei 19° lieber zu waschen, als in einem schönen Café in der Innenstadt zu sitzen.

Zum Beispiel ist da gerade die Dame um die 50 mit den rot gefärbten Haaren, die noch dringend ein paar Briefe für die morgige Arbeit durchgehen muss. Oder der glatzköpfige Proll mit Sonnenbrille, der seine weißen Tennissocken im Trockner beobachtet, während seine 20 Jahre jüngere Freundin im 3er BMW vor Tür wartet. Gerade eben schaut der nette Opa von nebenan nach seinen Hemden, die noch eine Viertelstunde brauchen und so bringt er die beiden Baguettes, die unter seinem Arm klemmen, noch schnell nach Hause.

Unteranderem sitzt da auch ein 19 Jahre alter Jüngling mit gestreiftem Pulli und Kopfhörern, der auf einer zusammenklappbaren Tastatur irgendetwas zu schrieben scheint. Er wohnt nur 100 Meter entfernt in einem vierstöckigen Haus, wo er seit nun schon fast zweieinhalb Wochen das oberste Appartement mit einer deutschen Frewilligen teilt. Er hat es sehr gut, da die Wohnung 75 m² hat und eine geräumige Küche, seine neues Hobby, und sogar einen kleinen Balkon bietet. Es ist seine erste Wohnung. Wahrscheinlich ist er gerade erst von zu Hause fortgegangen und musste seine Lieben zurücklassen, die ihm sehr fehlen. Die Wohnung hilft ihm wahrscheinlich sich ein wenig mehr einzuleben, doch wird er wohl bald wieder ausziehen. Obwohl die Lage perfekt ist und er nur 3 Minuten zum Strand braucht, stört ihn etwas. Es ist die Sprache. Er hat zuviel Deutsch um ihn herum, so dass er am Wochenende kaum mehr Französisch spricht. Doch dafür ist er doch eigentlich gekommen. Er ist weiter auf der Suche. Er sucht Menschen. Franzosen. Franzosen, die ihn bei sich aufnehmen und mit denen er in einer Gemeinschaft zusammenleben kann. Er schaut sich sogar schon um und zieht wahrscheinlich schon bald aus seiner jetzigen Bleibe wieder aus.

Nun ist auch seine Wäsche fertig. Er nimmt die Kopfhörer ab und faltet seine Tastatur zusammen. Die ganze Wäsche wird in eine rote Einkaufstüte gestopft. Mit einem ausländisch klingendem "Au revoir" verabschiedet er sich von der Zweckgemeinschaft im Waschsalon.Sonntags um halb zwölf.

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Le Travail à La Ferme de Magné

Moin moin, wie man nordwestlich von Frankreich sagt.

Ich habe gerade Mittagspause und welcher Moment eignet sich besser, um mal von meiner Arbeit zu berichten. Hier einfach mal ein Ausschnitt eines Rundbriefes an meinen Unterstützerkreis.
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Mein Projekt ist ein Hof für Behinderte, die dort leben und Arbeiten können. Der Hof heißt "Ferme de Magné" und momentan leben dort ca. 60 Behinderte. Im näheren Umkreis befinden sich jedoch noch weitere Wohnheime und Pflegeeinrichtungen, die alle unterdem Dachverband "APAGESMS" zusammengefasst sind. Die Ferme befindet sich 60 km südlich von La Rochelle in Ste Gemme. Da Kasper auch in La Rochelle wohnt, kann ich täglich mit ihm mitfahren und La Rochelle ist diesen weiten Anfahrtsweg wert. Auf dem Hof gibt es mehrer Arbeitsbereiche: eine Tischlerei, eine Baumschule, einen riesigen Tierpark für Besucher (auch Schulklassen etc.), eine eigene Küche, vier klassische Restaurants, konvetionelle Landwirtschaft (Mais und Wein) und den biologischen Gemüsebau. Letzer wird mein Hauptbereich sein. Zusammen mit vier Mitarbietern und zehn Behinderten wird eine Fläche von ...m² ökologisch bearbeitet. Das Angebot umfasst fast alle Gemüsesorten, die über ein Abokistensystem und einen kleinen Bioladen vertrieben werden. Die ersten Wochen werde ich nun vorallem auf dem Feld und in den Gewächshäusern arbeiten. Das heißt Ernten, Pflanzen, Jähten, Pflügen etc. Das war mir zu Beginn gar nicht klar, dass ich so viel in der direkten Produktion zu tun hätte, doch macht das Arbeiten Spaß und die Behinderten haben mich sehr offen und föhlich aufgenommen. Sie erklären mir meistens wie ich etwas machen muss. Da ich im Moment noch nicht allzu gut Französisch spreche, bin ich ja sozusagen auch behindert und habe somit eine ganz andere Beziehung zu den Behinderten, als ich sie in Deutschland haben könnte. Ich bin es, dem man auf Kinderfranzösisch etwas erklären muss. Ich stehe also eher auf einer freundschaftlichen Stufe, was eine erfrischend andere Sichtweise ermöglicht. Doch auch das Miteinander der Mitarbeiter ist sehr nett und so wird sich immer viel Zeit für das gemeinsame Mittagessen genommen, das, typisch französisch, lange dauert und und immer mit Käse und Dessert beendet wird. Generell arbeite ich immer von 8 bis 17 Uhr. Ich habe einen 35 Stunden Vertrag und habe so einen Werktag pro Woche frei, was auch recht angenehm ist.

Doch beschränkt sich meine Arbeit nicht auf den Gemüsebau. Mir stehen alle Bereich offen und außerhalb der Ferme gibt es auch noch Therapieeinrichtungen für stärkere Behinderungen, die mich sehr interessieren. Unteranderem gibt es Musiktherapie, in der ich vorrausichtlich ab Mitte Oktober zwei Tage pro Woche mitarbeiten werde. Darauf freue ich mich schon sehr, da sich so die Art der Arbeit die Waage hält.

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Vor ein paar Minuten habe ich erfahren, dass ich immer Freitags mit den Behinderten ins Schwimmbad gehen kann, was bestimmt sehr lustig wird!

So weit einmal von meiner Arbeit. Liebe Gruesse aus dem Westen.

Samstag, 4. Oktober 2008

Endlich - ein Lebenszeichen

Salut liebe Freunde der Blasmusik,

endlich schaffe ich es, mich mal um meinen Blog zu kümmern...
Die gute Nachricht zu erst: Ich bin gut angekommen. Die ersten beiden Wochen waren sehr stressig und es beruhigt sich nur langsam. Aber ab jetzt könnt ihr hier in hoffentlich regelmäßigen Abständen brandaktuelle Neuigkeiten aus dem schönen La Rochelle lesen und in ein paar Tagen auch die ersten schönen Fotos betrachten. Is das nich was?

Also bis ganz bald. Es grüßt euch alle recht herzlich der Christian vom Atlantik.